Strompreis und Gaspreis in Österreich Mai 2022

Entwicklung und Vergleich des Österreichischen Strompreisindex und des Österreichischen Gaspreisindex im Frühjahr 2022.

Der Europäische Strom- und Gasmarkt - ein Überblick

Zur Harmonisierung und Liberalisierung des Energiebinnenmarkts der EU wurden seit 1996 der Strom- und der Gassektor in zwei große Bereiche aufgeteilt:

  1. Übertragungs- und Verteilernetze fallen in den regulierten Bereich.
  2. Die Erzeugung (Strom) sowie der Handel und der Vertrieb werden dem liberalisierten Markt zugeordnet, wo Wettbewerb herrscht und sich Preise auch über das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage bilden.

Dieser Umbau sollte Marktzugang, Transparenz und Regulierung, sowie Verbraucherschutz und Versorgungssicherheit verbessern.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis

Die Preisbildung im Strom- und Gasmarkt wird grundsätzlich von Angebot und Nachfrage beeinflusst. Eine Besonderheit des Strommarkts: Die Merit-Order-Kurve bestimmt den Preis. Sie bestimmt die Reihenfolge in welcher Kraftwerke eingesetzt werden, um den Strombedarf zu decken. Die Merit-Order orientiert sich an den niedrigsten Grenzkosten, also den Kosten, die für eine zusätzlich produzierte Einheit elektrischer Energie anfallen. Kraftwerke, die Strom mit günstigen Grenzkosten produzieren, werden gemäß Merit-Order als erstes zur Bedienung der Nachfrage herangezogen (etwa Wind, PV, Wasserkraft). Danach werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten (z.B. Gaskraftwerke) hinzugenommen, bis der prognostizierte Bedarf gedeckt ist. Photovoltaik- und Windkraftwerke mit Grenzkosten nahe Null verdrängen Kraftwerke in der Merit-Order weiter nach hinten und sollen so für niedrigere Preise sorgen.

Die Konsequenzen sind folgende:

1. Bei steigendem Strombedarf nehmen die Grenzkosten zu, da zunehmend teurere Kraftwerke (v.a. Gaskraftwerke) Strom produzieren müssen und so den Strompreis auf ein höheres Niveau heben. Durch den ebenfalls gestiegenen Gaspreis werden so die Grenzkosten für den gesamten Markt nochmals erhöht.

2. Stromproduzenten mit niedrigen Grenzkosten erzielen höhere Gewinne, da sie den höheren Preis gezahlt bekommen.

Endkundenpreise haben mehrere Preiskomponenten

Die Preise für Haushalte und Industrie setzen sich aus unterschiedlichen Preiskomponenten zusammen. Grob kann zwischen den Energiekosten, den Netzkosten und den Steuern und Abgaben unterschieden werden. Der Energieanteil ist jener Anteil, der von den Preisen an den Großhandelsmärkten mitbestimmt wird. Bei einem durchschnittlichen Haushalt beträgt der Anteil der Energiekosten am Gesamtstrompreis in der Regel etwas mehr als ein Drittel.

Endkundenpreise in 2022 nach Entfall der Ökostrom-Pauschale und Reduktion der Elektrizitätsabgabe

Die Ökostrom-Pauschale entfällt für das Jahr 2022, der verbrauchsabhängige Ökostrom-Förderbeitrag wurde aufgrund der hohen Großhandelspreise auf 0 Cent/kWh reduziert. Auch die Elektrizitätsabgabe wird von 1,5 Cent/kWh auf 0,1 Cent/kWh gesenkt. Dies lässt den Anteil der Elektrizitätsabgabe auf 0,4 % schrumpfen. Im Jahr 2022 machen somit die Energiekosten über 50% des Strompreises aus.

Österreichischer Strompreisindex im Frühjahr 2022

Der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) befindet sich im April 2022 auf einem neuem Allzeithoch und zeigt einen extremen Anstieg gegenüber den Vorjahren. Der Österreichische Strompreisindex bildet ebenfalls die Entwicklung der Großhandelspreise ab. Er gibt an, um wieviel Prozent sich der Einkaufspreis für Strom im kommenden Monat gegenüber der Basisperiode verändert. Der Durchschnitt der Strompreise aus dem Jahr 2006 ist dabei die Ausgangsbasis. Für den Endkundenmarkt ist der ÖSPI auch relevant: Er bildet die Grundlage einiger Float-Produkte und findet sich zum Teil in Allgemeinen Lieferbedingungen als Basis für Preisanpassungen bei den EndkundInnen wieder. Obwohl die ÖSPI-Methodik zu einer starken Glättung der Großhandelspreise führt, zeigt sich seit Februar 2021 ein deutlicher Aufwärtstrend.

Allzeithoch von 2009 weit übertroffen:

Mit dem Indexstand von 233 Punkten hat der ÖSPI für April 2022 ein neues Rekordhoch erreicht. Der Tiefststand des ÖSPI lag im November 2016 bei 49 Indexpunkten.

Österreichischer Gaspreisindex im Frühjahr 2022

Der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) vollzog eine noch nie dagewesene Preissteigerung seit dem Sommer 2021. Der Österreichische Gaspreisindex bildet – ähnlich wie der ÖSPI für Strom – die Entwicklung des Großhandelsmarkts für Gas ab. Methodisch gibt es zwischen den beiden Indizes jedoch den wesentlichen Unterschied, dass der ÖGPI auf Basis eines kürzeren Durchrechnungszeitraums gebildet wird. Dies bedeutet, dass gegenüber dem ÖSPI weniger und kurzfristigere Produkte sowie weniger Handelstage in die Berechnung einfließen. Für den Endkundenmarkt wird daher häufig eine geglättete Variante (12-Monats-Mittel, blaue Linie) herangezogen.

Entwicklung der letzten Monate zeigt Preisrallye

Im Jänner 2022 erreichte der Indexstand des ÖGPI mit 454 Indexpunkten einen absoluten Rekordwert. Seitdem zeigt der ÖGPI eine leichte Stabilisierung (März 2022: 442) auf hohem Niveau. Infolge des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine sind die Gaspreise allerdings abermals stark angestiegen, weshalb auch der ÖGPI wieder einen Aufwärtstrend erfahren wird.

Vergleich zwischen Österreichischen Strompreisindex und Gaspreisindex im Frühjahr 2022

Der Vergleich zwischen ÖSPI und ÖGPI verdeutlicht den massiven Preisanstieg am Gasmarkt.

Vergleicht man die beiden Indizes, so sticht der starke Preisanstieg im Gasbereich noch deutlicher hervor. Ebenso zeigt sich, dass der ÖGPI in Zeiten des pandemiebedingten Krisenjahrs 2020 im Gegensatz zum ÖSPI eine stärker ausgeprägte Abwärtsbewegung zu verzeichnen hatte.

Volatilität des ÖGPI auch aufgrund unterschiedlicher Methodik

Die stärkeren Schwankungen im ÖGPI sind auch ein Ergebnis der methodischen Unterschiede. Trotzdem war der ÖGPI seit Beginn der Berechnungen im Jahr 2015 noch nie derartig starken Preisbewegungen unterworfen. Vor dem gegenwärtigen Preisanstieg seit Herbst 2021 (454 Punkte im Jänner 2022) lag der ÖGPI-Höchstwert bei 123 Indexpunkten (Ende 2019). Der für die Haushaltspreisbildung relevantere 12- Monats-Schnitt des ÖGPI weist hingegen aufgrund der statistischen Glättung einen etwas weniger extremen Anstieg auf.

Maßnahmen gegen die Teuerung von Energie

Um die Teuerung von Energie – neben Strom betrifft diese auch Treibstoffe, Heizöl, Erdgas, Fernwärme, Pellets oder Brennholz – abzufedern, hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen gesetzt bzw. angekündigt:

  • Energiekostenausgleich in der Höhe von 150 € pro Haushalt: Die Auszahlung wird über einen Gutschein erfolgen, den jeder Haushalt automatisch per Post erhält. Jeder Haushalt bis zu einem Einkommen in der Höhe der (zweifachen) ASVGHöchstbemessungsgrundlage (11.340 €, bei Haushalt mit 2 Erwachsenen) darf den Gutschein einlösen.
  • Teuerungsausgleich von 300 € für Arbeitslose, Mindestsicherungs-, Ausgleichszulage- und Studienbeihilfe-Bezieher und Mobilitätsstipendiaten.
  • Weitere Maßnahmen wie z. B. ein Zusatzbudget für Energieberatungen und für Förderungen für den Weißwarentausch wurden ebenfalls kommuniziert.

In Anbetracht der zusätzlichen Preissteigerungen durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die inflatorischen Auswirkungen der Energiepreise wurden am 20. März 2022 weitere Maßnahmen verkündet. Neben der bis 30. Juni 2023 befristeten Reduktion der Erdgas- und Elektrizitätsabgabe auf das EU-rechtlich zulässige Minimum wurden Investitionsoffensiven für Erneuerbare Energie und klimafreundliche Fahrzeuge, Preissenkungen bei regionalen Klimatickets, die Anhebung der Pendlerpauschaler um 50 %, die Vervierfachung des Pendlereuros (beides befristet bis Ende Juni 2023) und Entlastungsmaßnahmen für Landwirte angekündigt.

Ausblick

Lt. der Österreichischen Energieagentur erwarten sämtliche Marktteilnehmer eine leichte preisliche Entspannung frühestens im Jahr 2023. Es wird nach aktuellem Stand aber keine Rückkehr zu Niedrigpreisen geben, die Preise werden sich auf einem höheren Niveau als bisher einpendeln.

Die Preisbildung der Stromkosten ist bereits in das Visier der Politik geraten. Hier wird eine Entkopplung vom Gaspreis über eine neue Methodik zur Berechnung der Grenzkosten diskutiert. Diese solle sich nicht mehr automatisch an den teuersten Grenzkosten orientieren. Auch der Ausbau von erneuerbaren Energie wird helfen, den Strompreis von Gas zu entkoppeln und so wieder günstiger zu machen.

Anders sieht die Sache beim Gaspreis aus. Da der Gaspreis fast ausschließlich von Angebot und Nachfrage beeinflusst wird, ist hier ohne der Gewinnung zuverlässiger Lieferanten und der Investition in notwendiger Infrastruktur (Pipelines für LNG) vorerst keine Entspannung zu erwarten.

Quellen

  1. Österreichische Energieagentur, März 2022: Stromgroßhandel: Preisentwicklung und wesentliche Einflussfaktoren | Update und Ergänzung
  2. ORF.at, 6. Mai 2022: Debatte über Strompreis nimmt Fahrt auf
  3. Wiener Zeitung, 15. März 2022: Was tun gegen hohe Energiepreise?
  4. Bundesministerium für Finanzen, Mai 2022: Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiekosten